TITELGESCHICHTE

Vom Glück im Beet

In vielen Ecken Hamburgs verwandeln fleißige Hände Hinterhöfe und Brachen in wahre Oasen. Win-win für alle: Gemeinsames Gärtnern ist gut für die Seele und zaubert Grün in die Stadt.

TEXT Andrea Guthaus / FOTOS Philipp Reiss

Pflanzen recken sich prächtig in die Höhe, Bienen brummen um die Minze, zwei Mädchen pflücken Johannisbeeren. „Das ist einfach toll hier, oder?“, schwärmt Andreas Zimmer. Er ist Gärtner der ersten Stunde im Garten Hegen. 2019 ist der Gemeinschaftsgarten im südlichen Grünzug von Rahlstedt-Ost auf Initiative der SAGA entstanden. Auf 350 Quadratmetern inmitten eines SAGA-Quartiers toben sich heute ganz unterschiedliche Menschen aus der Nachbarschaft aus und kümmern sich zusammen um Mangold, Rucola, Fenchel, aber auch Currykraut und Tomaten. Sieben Hochbeete stehen hier, dazu gibt es einen Kartoffelacker. Zwischen Sandsteinquadern wachsen Rosmarin und Thymian.

 

 

 

Einmal in der Woche treffen sich die Rahlstedter Gartenfans zum Gärtnern und Klönen. Mit dabei ist auch Helene Wandtke, die Grande Dame des Garten Hegen. Jahrzehntelang hat sie im eigenen Garten Obst und Gemüse angebaut. Heute gibt sie ihr Wissen an ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter weiter und freut sich über die Gemeinschaft: „Der Garten soll ein Ort sein, an dem man miteinander ins Gespräch kommt. Es ist wunderbar, wenn hier Menschen glücklich mit einem Sträußchen frischer Kräuter nach Hause gehen oder wenn Kinder unsere süßen Paprika probieren.“ Die Ernte teilt die Gartengruppe untereinander auf, aber auch die Nachbarschaft darf naschen. „Wichtig ist uns, dass nicht ohne Absprache geräubert wird. Aber grundsätzlich dürfen hier alle sitzen, die Natur genießen und ein paar Blätter Salat zupfen. Der Garten ist immer offen.“ Echte Highlights sind auch die Feste, die im Frühling, im Sommer und zum Erntedank steigen: „Wir servieren dann selbst gebackenen Kuchen – die Leute kommen angeschwirrt.“

Im Garten Hegen wachsen auch Johannisbeeren | © Philipp Reiss

Naschen ist ausdrücklich erlaubt.

Die Gartentruppe vom Garten Hegen | © Philipp Reiss

Die Gartentruppe vom Garten Hegen.

In ganz Hamburg wird zusammen gegärtnert

Weil Grün guttut, entstehen in der Stadt immer mehr Urban-Gardening-Projekte. Mit den Händen arbeiten, Nahrung für Insekten schaffen, mehr Grün statt Beton – Argumente für ein grüneres Hamburg gibt es zuhauf. Der Garten Hegen ist nicht das einzige Gartenprojekt, das die SAGA initiiert hat. Es gibt viele unterschiedliche Projekte in den Quartieren. In insgesamt zehn Wohnanlagen stehen beispielsweise Hochbeete. Betreut werden sie von den Mieterinnen und Mietern gemeinsam mit den Hausbetreuerteams von den CHANCE-Logen. In der Sibeliusstraße sorgt Hausbetreuer Wolfgang Meins dafür, dass es summt und brummt: „Die ganze Nachbarschaft findet die Pflanzen in den Hochbeeten super. Sie machen einfach gute Laune – mir natürlich auch.“ Zwischen den Häusern in der Sibeliusstraße leuchten Kornblumen, Kapuzinerkresse und Stockrosen. Auch Zitronenmelisse, Lavendel und prächtige Lilien wachsen hier. Wer mithelfen will, ist herzlich eingeladen. 

 

Urban-Gardening-Projekte finden sich in ganz Hamburg: vom Barmbeker FuhlsGarden über das Gartendeck St. Pauli, den Bahrenfelder Luthergarten bis zum Garten Jeden in Hamm. Entstanden ist das Gärtnern in der Stadt im New York der 1970er-Jahre. In Hamburg haben Kirchengemeinden, Vereine, aber auch Schulen und Kitas die Idee kopiert. Auch der BUND Hamburg bringt Natur in die Stadt – mit dem NaturErlebnisGarten in Wilhelmsburg. Südlich des Inselparks inmitten von Kleingärten ist auf 5.000 Quadratmetern ein grünes Paradies entstanden. Eine Wildblumenwiese mit eigenem Bienenvolk gehört dazu, aber auch Apfelbäume und Blaubeersträucher, ein Irrgarten und natürlich jede Menge Hochbeete. In einem hegt und pflegt Susanne Coulibaly Möhren, Tomaten und Grünkohl: „Das Tolle am NaturErlebnisGarten ist, dass er richtig wild ist.“ Brennnesseln und Disteln dürfen hier wachsen, denn Schmetterlinge lieben das vermeintliche Unkraut. In ihrem Hochbeet hat Susanne Coulibaly sogar das Ei einer Ringelnatter gefunden. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist einfach toll hier, oder?

Andreas Zimmer, GartenHegen

Hausbetreuer Manfred Meins am Hochbeet in der Sibeuliusstr. | © Philipp Reiss

Hausbetreuer Wolfgang Meins kümmert sich um die Hochbeete in der Sibeliusstraße.

Ein Schmetterling sitzt auf einer lila Blume | © Philipp Reiss

In den Gärten finden viele Insekten ein Zuhause.

Im NaturErlebnisGarten haben sich etwa zwanzig Menschen zusammengetan. Äpfel pflücken, Kirschmarmelade kochen, die Beete mit Pferdeäpfeln düngen – zu solchen Aktionen verabreden sie sich.

Ansonsten dürfen alle jederzeit in den Garten und dort nach Herzenslust das eigene Hochbeet beackern. Susanne Coulibaly wohnt nur ein paar Fahrradminuten entfernt, sie kommt meist einmal pro Woche: „Für mich ist das genau die richtige Dosis Garten. Ein Kleingarten wäre für mich viel zu viel Arbeit, denn ich arbeite Vollzeit.“ Wer da ist, gießt alle Beete – so profitieren alle von der Gemeinschaft. Für Susanne Coulibaly ist der Garten ein 
Ort zum Runterkommen: „Wenn ich mit den Händen in der Erde wühle, hilft mir das, wieder auf den Boden zu kommen und Stress abzuschütteln. Es ist einfach heilsam zu gärtnern.“ Sich wieder verbinden mit der Natur, das liegt im Zeitgeist. Und es kann Halt geben in einer Zeit, in der sich die Welt anfühlt, als wäre sie aus 
den Fugen geraten. „Sich in die Hängematte legen und den Wolken hinterherschauen, das tut so gut.“

Susanne Coulibaly im NaturErlebnisGarten in Wilhelmsburg | © Philipp Reiss

Susanne Coulibaly im NaturErlebnisGarten Wilhlemsburg.

Buddeln vor der Haustür per Grünpatenschaften

Am schönsten ist es natürlich, direkt vor der eigenen Haustür buddeln zu können. Hunderte Hamburgerinnen und Hamburger tun das und bepflanzen kleine Grünstreifen entlang von Straßen oder rund um Bäume. Statt einfach draufloszugärtnern, ist es besser, die Grünpatenschaft ganz offiziell zu übernehmen. Dafür melden sich Menschen mit grünem Daumen einfach bei ihrem Bezirksamt. Das Tolle: Wer mit Brief und Siegel Patin oder Pate wird, kann zum Beispiel in Harburg, Wandsbek oder Altona ein paar Euro Förderung für den Start ins Gartenglück bekommen. Manche Bezirke beraten auch beim Standort oder bei der Pflanzenauswahl. Lust bekommen? Wer glaubt, das Gartenjahr ist im Spätsommer vorbei, der irrt gewaltig. Kürbis und Kartoffeln werden erst im September geerntet. Und Feldsalat lässt sich sogar im Oktober noch säen. Jetzt ist auch der richtige Moment, um Blumenzwiebeln in die Erde zu stecken. Und wenn im Dezember und Januar wirklich wenig zu tun ist im Garten, lässt sich die Wartezeit bis zum nächsten Frühjahr auch mit einem Kressebeet auf der Fensterbank verkürzen. Also ran an Schaufel, Gartenschere und Harke – und ganz nebenbei neue Kraft tanken.

 

Zucchini aus dem NaturErlebnisGarten Wilhelmsburg | © Philipp Reiss

Urban-Gardening-Projekte finden:

Das Netzwerk für Gemeinschaftsgärtner*innen verzeichnet auf der Website Projekte aus ganz Deutschland. 
www.urbane-gaerten.de

 

Grünpatenschaft anmelden:

Nach Grünpatenschaft suchen, Adresse eingeben und den richtigen Kontakt finden:

www.hamburg.de/service

Urlaubsgefühl im Grünen – mit diesen drei Tipps gärtnern Sie ganz entspannt

Günstig gärtnern

Es geht auch mit kleinem Budget: Über Stecklinge lassen sich zum Beispiel Johannisbeeren und Rosmarin vermehren. Einfach Freunde fragen, was sie im Garten haben. Gratis Samen gibt’s auch bei den Hamburger Bücherhallen. Oder selbst ernten: Im September ist die beste Zeit, um Stockrosensamen aus ihren Kapseln zu schütteln.

Clever planen

Auf Dauer wird es mühsam, jedes Jahr aufs Neue Samen auszustreuen. Gerade Beete mit einjährigen Sommerblumen sind zeitintensiv. Mehrjährige Stauden wie Eisenkraut oder Salbei und winterharte Blumenzwiebeln wie Zierlauch oder Schneeglöckchen kommen zuverlässig jedes Jahr wieder. Und es bleibt mehr Zeit im Liegestuhl.

Sonne oder Schatten?

Damit der Traum von reicher Ernte nicht zerplatzt, immer auf den passenden Standort achten: Wer in einem schattigen Hinterhof Obst und Gemüse ziehen will, ist mit Wassermelonen falsch beraten, denn die brauchen Sonne satt. Möhren, Rhabarber oder Petersilie kommen dagegen auch mit wenig Licht aus.

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